JUSTINUS KERNER

Justinus Kerner (Gemälde von Ottavio d'Albuzzi, 1852)

 

Badenweiler
Gedicht von 1851.

 
Sei mir gegrüßet, Badenweilers Au!
Ein Stück Italiens auf deutschem Grund!
Gebroch‘nem Herzen, müdem Haupt, welch Fund
Mit deinem Heilborn, mild'rer Sterne Thau!

Hier wehet frisch aus blauem Himmelszelt
Ein Hauch der Heilung über Wald und Flur,
Der Athem ist's, der liebenden Natur,
Noch unvermischt mit Dünsten dieser Welt.

Auf zu der Berge Haupt! o welch ein Glanz
Von Himmel und von Erde! dort im Schein
des Sonnengolds der alte deutsche Rhein
Und der Vogesen dunkelblauer Kranz!

Gebirge wölben sich in grüner Pracht,
Zu ihren Füssen Matten lichterfüllt;
Die gießen in ein krankes Auge mild
Ihr Grün in Schatten bis zur grünen Nacht.

Dort aus der Wälder stummen Finsternis
Hebt sein zerriss'nes Haupt ein alter Thurm,
Hier ein Granitblock, den Natur im Sturm
der Elemente aus der Erde riss.

Und tief, tief in der Waldgebirge Schoß,
O welche Ruh'! Nur leiser Vogelsang,
Das Rauschen nur vom grünen Bergeshang
Kristall'ner Wasser über Stein und Moos.

Oft tauchen aus gespalt'ner Felsen Schlund
Berggeister auf. Wie manch' ein Silberstreif
Noch durch die Tiefen blitzt, zum Heben reif,
Thun sie im Mondenschein irren Wandrern kund.

Der Rebenhügel heller, sonn'ger Schein
Verklärt der Waldgebirge dunkle Pracht;
Noch tiefer ruht in der Gewölbe Nacht
In Städten, Dörfern all' der gold'ne Wein.

Land unter mir, sichtbar in Himmels Huld,
O Breisgau, Deutschlands bunter Blütenstrauß!
Ich breite betend meine Arme aus!
Gott schütze dich vor Unnatur und Schuld.

Du aber, Kranker! such' den Aufenthalt
Hier in der Berge grüner Einsamkeit;
Hier heile dich, wie's wunde Reh sich heilt,
Am hellen Born im tiefen, tiefen Wald.

 

(aus: Badenweiler, von Med. Dr. Gustav Wever, Badenweiler, 1866, 3. Auflage,
„Der letzte Blütenstrauß, Werke Zweiter Teil, Gedichte, S. 321f.)