Thematische Schwerpunkte:
Abteilungen des Museums

Das Museum als Ort literarischer Begegnungen und kultureller Erfahrungen
Vier im Uhrzeigersinn angeordnete Abteilungen laden zu einem Rundgang ein. Gleich nach dem Foyer, in dem ein 220 cm großes, künstlerisch sehr komplexes Tschechow-Denkmal als Geschenk der Duma (2014) der südrussischen Hauptstadt Rostow-am-Don zu sehen ist, betritt man das als „virtuellen Salon“ gestaltete Literaturmuseum.

In der ersten, dem russischen Schriftsteller und Dramatiker Anton Tschechow (1860-1904) gewidmeten Abteilung, gibt eine Zeitachse Orientierung über dessen Leben sowie über Politik, Geschichte und Kunst seit 1860. Tschechow, der selbst Arzt war, starb nach 20-jähriger TBC-Erkrankung am 15.7.1904 im damaligen Hotel Sommer, der heutigen Rehabilitationsklinik Park Therme im Nachbargebäude des neuen Museums, nur wenige Monate nach der erfolgreichen Uraufführung seiner Komödie „Der Kirschgarten“. Tschechow war in einem viel zu späten Krankheitsstadium gekommen, als dass ihm der renommierte damalige Großherzogliche Kurarzt, Dr. Josef Schwoerer, noch hätte helfen können. Vier Jahre nach seinem Tod errichteten russische Freunde ihm in Badenweiler das weltweit erste Denkmal, es sollte der Beginn einer einzigartigen literarischen deutsch-russischen Gedenk- und Begegnungskultur für ihn in Deutschland werden. Zwar wurde diese Entwicklung durch Politik und Weltkriege zeitweilig unterbrochen, doch bereits 1954, mitten im „Kalten Krieg“, konnte die verlorene Literaturtradition wiederbelebt werden. Dass Tschechow seit etwa 1960 als einer der meistgespielten Dramatiker deutschsprachiger Bühnen und einer der Initiatoren der literarischen Moderne gilt, findet im Museum vielfältige Resonanz.

Konstantin Stanislawski
Konstantin Stanislawski

In der zweiten Abteilung ist ein weiterer Russe mit Weltbedeutung vertreten, der Theaterreformer und Leiter des berühmten „Moskauer Künstlertheaters“, Konstantin Stanislawski (1883-1938). Er war verbrachte zwischen 1908 erstmals und dann 1928 bis 1932 über 13 Monate im Kurort, zu einer Zeit, die in der Sowjetunion von linksradikalen Kräften und dem Anfang der Stalinschen Repressionen geprägt war. Von hier leitete er auch sein Moskauer Theater und schrieb einen Großteil seines theoretischen Hauptwerkes „Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst“, in dem er sein „System“ einer modernen Schauspielpraxis in erzählerisch-fiktionaler Form darlegte. Stanislawski, der hier seine Herzschwäche zu heilen suchte, wurde über die ganzen Jahre gleichfalls von Tschechows Arzt, Dr. Josef Schwoerer, behandelt. Dieser war mit Elisabeth aus der großbürgerlichen Moskauer Kaufmannsfamilie Schiwago verheiratet, was enge Verbindungen nach Russland nach sich gezogen hatte.

Die dritte Abteilung bietet einen Überblick über die gesellschaftlich-kulturellen Beziehungen Badenweilers zu Russland von 1904 bis in die Gegenwart, wozu auch die Geschichte des „Tschechow-Archivs“ und des internationalen literarischen Lebens im Kurort zählt.

Stephen Crane
Stephen Crane

Die vierte Abteilung ist Schriftstellern gewidmet, die mit Badenweiler durch Leben und Werk verbunden sind. Auch hier erscheinen ausländische Autoren. Allen voran der amerikanische Schriftsteller und Dichter Stephen Crane (1871-1900), der als einer der Begründer der amerikanischen literarischen Moderne gilt und wie Tschechow in Badenweiler an zu spät behandelter Tuberkulose verstarb. Jawaharlal Nehru (1889-1967), der erste indische Ministerpräsident, weilte 1935 bei seiner erkrankten Gattin Kamala im Kurort, wo er seine Autobiografie vollendete. Olga (1897-1980) und Vera (*1940) Tschechowa, Groß- und Urgroßnichte des Schriftstellers, erhielten als Schauspielerinnen aufgrund ihrer Literaturverfilmungen und Badenweiler-Besuche einen Platz im Museum.

Es folgt ein breites Feld weiterer deutscher Namen: Justinus Kerner (1786-1862) schwäbischer Arzt und Dichter; Johann Peter Hebel (1760-1826), der den Kurort als sein „Paradiesgärtlein“ pries; Heinrich Hoffmann (1809-1894), der Dichter des „Struwwelpeter“; Hermann Hesse (1877-1962), der hier 1909 von dem renommierten Arzt Albert Fraenkel behandelt wurde und dies auch literarisch verarbeitete; der Elsässer René Schickele (1883-1940), Romancier, Kämpfer für die deutsch-französische Aussöhnung und von 1921 bis zum Exil Ende 1932 Wahlbürger Badenweilers; dessen Freundin Annette Kolb (1870-1967), deutsch-französische Zeitzeugin der Belle Epoque und eines Großteils des 20. Jahrhunderts, ab 1922 Bürgerin und ab 1955 sogar Ehrenbürgerin Badenweilers; Hermann Broch (1886-1951), der einen Teil seiner Romantrilogie „Die Schlafwandler“ (1931/31) in Badenweiler angesiedelt hat; Kasimir Edschmid (1890-1966), Expressionist und bekannter Literaturfunktionär der Nachkriegszeit sowie Ingeborg Hecht-Studniczka (1921-2011), literarische Aufklärerin über die Nürnberger Rassengesetze. Nennungen erfahren auch die beiden Philosophen Karl Jaspers (1883-1969) und Martin Heidegger (1889-1976). Zudem werden die nur noch wenig bekannten Gustav Faber (1912-1993), Elly Heuss-Knapp (1881-1952), Margaretha Spörlin (1800-1882), Hermann Stegemann (1870-1945), Emil Strauß (1866-1960) und Elisabeth Walter (1897-1956) gewürdigt. Mit Gabriele Wohmann (*1932), die mit ihrem Roman „Frühherbst in Badenweiler“ (1978) die melancholische deutsche Befindlichkeit der späten 1970er Jahre beschrieb, Rüdiger Safranski (*1945), Wahlbürger Badenweilers, sowie Martin Walser (*1927), der mit seinem Roman „Die Inszenierung“ (2013) Badenweilers Tschechow-Tradition aufgriff, kommt die aktuelle Literaturszene ins Spiel.

Zum Museumsbereich zählt ebenfalls die in Deutschland herausragende literarische Denkmalslandschaft im Ortsbereich und im Kurpark. Diese Anlage wird besonders beschrieben.