Der Tschechow-Gedenkstein am Schwanenweiher, eingeweiht 1963

Bedeutung

Nach Berlin-Krise 1960; Mauerbau 1961 und Kuba-Krise 1962 wurde der Gedenkstein trotz seiner formalen Bescheidenheit einer der wichtigsten Gedenkorte für Tschechow in 15.7.1963 als erste deutsch-sowjetische kulturelle Begegnung nach der heißesten Phase des Kalten Krieges eingeweiht.

Einweihung durch: den neu ins Amt gekommene Bürgermeister des Heilbads, Dr. Rudolf Bauert, den Stuttgarter Stadtdirektor Dr. Schumacher als Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde DGO, sowie der sowjetische Botschaftsrat I. M. Lawrow.

Der Stein steht für die Deeskalation des Kalten Krieges in Europa und des „Wandels durch Annäherung“, formuliert erstmals genau am 15.7.1963 (!) in der Ev. Akademie Tutzing durch den Berliner Senator Egon Bahr, den späteren Architekten der Ostpolitik.

Am 11. 10.63 tritt Konrad Adenauer als Kanzler zurück, am 16.10.63 wird Ludwig Ehrhard Kanzler der Bundesrepublik.

Erhard lädt 1964 erstmals nach dem Krieg eine Gruppe sowjetischer Journalisten nach Westdeutschland ein. Man beginnt die Rundreise nicht in München, Hamburg oder Frankfurt, sondern in Badenweiler am Tschechow-Stein, wo man einen Kranz niederlegt. Dieser Stein ist somit eine Art Grundstein für die Aussöhnung mit Russland. Zwei Jahre verkündet Erhard den osteuropäischen Staaten die Friedensnote zur Abrüstung. Am 1.12.66 später wird Willy Brandt Außenminister in der Großen Koalition und es beginnt die Neue Ostpolitik.

Vorgeschichte und Anekdoten zum Gedenkstein

Tuscheentwurf der Bildhauerin Annemarie Heinrich aus Bernau/Schwarzwald zu Tschechow-Gedenkstein (Original im Archiv)

Der Badenweilerer Bürgermeister Dr. Friedrich von Siebold (1955-1962), der selbst kurze Zeit als Diplomat in Washington gewesen war und die Werbewirksamkeit Tschechows überblickte, fragt bereits 1956 beim AA in Bonn an, ob man die Sowjets um ein neues Tschechow-Denkmal bitten dürfe. Man hielt dies dort mitten im Kalten Krieg für eine Schnapsidee.

Doch Siebold machte die Tschechow-Tradition ebenso wie die Crane-Tradition zu einer seiner Hauptanliegen. 1956 erfolgt die Offizielle Gründung des „Tschechow-Archivs“ Badenweiler als Dokumentation der eigenständigen Unternehmungen zur „Versöhnung mit dem ehemaligen Kriegsgegner Sowjetunion“ (Ratsprotokoll). Zudem beginnt die Zusammenarbeit mit der „Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde“ (DGO) und dem „Sowjetologen“ Prof. Klaus Mehnert und dem Geschäftsführer der Gesellschaft, Dr. Ernst von Eicke aus Stuttgart, zur Förderung der Tschechow-Gedenkkultur mitten im Kalten Krieg.

Badenweiler und die DGO planen anstelle eines neuen Denkmals einen selbst finanzierten Gedenkstein, der zum 100. Geburtstag Tschechows 1960 eingeweiht werden soll. 1956 erkundigt sich Bundespräsident Theodor Heuss persönlich nach dem Stand der Gedenkkultur für Tschechow.

Mittlerweile ist die literarische Umwertung Tschechows vom Satiriker, Sozialkritiker und russischen Maupassant zum Mitbegründer der literarischen Moderne in vollem Gange.

Badenweiler und die DGO zerstreiten sich zuerst wegen des Textes für den Gedenkstein – jedes vorgelegte Tschechow-Zitat ist zu lang für den Stein. Der jetzige Text ist die damals gefundene Kompromisslösung, vorgeschlagen von dem Innsbrucker Slawisten Prof. Hans Halm: „Dem gütigen Menschen und Arzt, dem großen Schriftsteller Anton Tschechow“ sowie Tschechows Lebensdaten.

Heinz Setzer

Gallina Schtschobolewa, Direktorin des Tschechow-Museums und der Gedenkstätte in Moskau mit Kursekretär Ulrich Schmalz und Dr. Stahl am Tschechow-Stein 15.7.1979. Schtschobolewa begleitete damals den Transport des großen Bildergeschenkes der Sowjetunion nach Badenweiler

Originalbrief Präsidialamt BP Theodor Heuss an von Siebold, Original im Museum A 4